In einer neuen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mehrere Probleme für die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Grundstück erörtert und damit einige für die juristische Ausbildung interessante Ausführungen gemacht.
Der Sachverhalt ist dabei recht einfach:
„Mit notariellem
Vertrag vom 9. Dezember 2009 verkauften die Beklagten den Klägern ein mit einem
Wohnhaus bebautes Grundstück zum Preis von 270.000 €. Als Kaufgegenstand war
das Flurstück 291/3 genannt. Die Kläger gingen bei Vertragsschluss irrtümlich
davon aus, dass hierzu auch das angrenzende, 19 m² große Flurstück 277/22
gehöre…
Die Kläger begehren
die Rückabwicklung des Vertrages…“
Die Leitsätze lauten:
„BGB § 433 Abs. 1, §
434
Zur Beschaffenheit
eines verkauften Grundstücks gehört es nicht, dass es sich auf ein
Nachbargrundstück erstreckt; eine solche Vereinbarung legt den Kaufgegenstand
selbst und nicht lediglich dessen Beschaffenheit fest.
BGB § 311b Abs. 1 Satz
1, § 133 B
a) Der Wortsinn einer
in einem notariellen Grundstückskaufvertrag enthaltenen Erklärung ist nicht
maßgeblich, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien in der Erklärung Begriffe
anders als nach dem Wortsinn verstehen oder mit Flurstücks- oder
Grundbuchangaben andere Vorstellungen über den verkauften Grundbesitz verbinden
(sog. versehentliche Falschbezeichnung bzw. falsa demonstratio). Eine solche
Falschbezeichnung ändert nach § 133 BGB nichts daran, dass - wie auch sonst -
nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklich Gewollte gilt.
b) Aus dem Umstand,
dass die Kaufvertragsparteien die tatsächlichen Verhältnisse des im Eigentum
des Verkäufers stehenden Grundstücks bei einer Besichtigung zur Kenntnis
genommen haben, kann, auch wenn dieses Grundstück und das angrenzende
Nachbargrundstück scheinbar eine Einheit bilden, nur im Ausnahmefall auf eine
Einigung über den Mitverkauf des nicht im Eigentum des Verkäufers stehenden
Nachbargrundstücks geschlossen werden (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 18.
Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658).
BGB § 280 Abs. 1, §
311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2
Weckt der Verkäufer
eines Grundstücks bei dem Käufer vor Vertragsschluss falsche - einseitige -
Vorstellungen über den tatsächlichen Umfang seines Eigentums oder erkennt er
eine entsprechende Fehlvorstellung über den Grenzverlauf, klärt den Käufer aber
nicht über den wahren Grenzverlauf auf, fehlt es in aller Regel an einer
Einigung über den Verkauf eines scheinbar zu dem Grundstück des Verkäufers
zugehörigen fremden Grundstücks. Der Verkäufer kann allerdings wegen
Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet sein.“
Es geht also um
-- eine falsa demonstratio,
-- eine mögliche Beschaffenheitsvereinbarung und
-- eventuelle Ansprüche aus einer culpa in contrahendo, die in bestimmten Fällen auf eine Rückabwicklung des Vertrags gerichtet sein können.
Letzteres ist immer dann interessant, wenn das
kaufrechtliche Gewährleistungsrecht nicht eingreift und damit der
Anwendungsbereich der cic eröffnet ist. Wohlgemerkt kann aber auch bei
Vorliegen gewährleistungsrechtlicher Ansprüche eine cic anwendbar sein,
wenn insoweit ein vorsätzliches Verhalten gegeben ist.
Auch hier besteht eine hohe Examensrelevanz, zumal sich
viele Kernprobleme aus dem Zivilrecht in der Entscheidung wiederfinden. Allen
Studierenden sei deshalb die Lektüre dieses Urteils empfohlen.
Hier ist ein weiterer Artikel zum Grundstücksrecht
Hier sind weitere Artikel zum Kaufrecht zu finden
Die
Nacherfüllung beim Kaufvertrag
Die
Feinheiten des § 442 I 1 BGB
Der
Verschleiß als Mangel der Kaufsache
Frist
zur Nacherfüllung und zweite Gelegenheit zur Nachbesserung
Die
Eintrittskarte im Vorverkauf
Umtausch,
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Der
falsch gelieferte Artikel (aliud) beim Kaufvertrag im Internet – Wer hat welche
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