Stellt die Bezeichnung eines gebrauchten Kfz als „Bastelfahrzeug“ eine negative Beschaffenheitsvereinbarung dar oder wird damit wenigstens die Gewährleistung ausgeschlossen? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Stuttgart in einer neuen Entscheidung beschäftigen.
Sehen wir und die Entscheidung einmal näher an.
Sachverhalt
Nach vorangegangener Probefahrt am 07.02.2018 kaufte die
Klägerin vom Beklagten, einem gewerblichen Fahrzeughändler, am 17.02.2018 für
4.900 € ein gebrauchtes Kfz. Der Kaufvertrag enthält folgenden Passus:
„Das
Fahrzeug wird als Bastelfahrzeug gebraucht und [in] altersgemäßem
Zustand verkauft. Der Käufer hat das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren. Er
hat den vorgefundenen Zustand akzeptiert.“
Aufgrund von Mängelrügen der Klägerin befand sich das
Fahrzeug in der Werkstatt der Beklagten, in welcher Reparaturen vorgenommen
wurden.
Mit Anwaltsschreiben trat die Klägerin vom Kaufvertrag
zurück. Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei bei Übergabe mangelhaft
gewesen. Bei kalten Temperaturen stottere der Motor und nehme das Gas nicht an.
Erst nach einigen Kilometern laufe er normal. Nach der zweiten und dritten
Reparatur habe sich der Zustand verschlimmert. Nun ruckele das Fahrzeug auch im
warmen Zustand, vor allem beim Beschleunigen. Sie holte ein Sachverständigengutachten
ein, dessen Kosten sie vom Beklagten ersetzt verlangt.
Entscheidungsgründe
Der Klägerin steht gem. § 280 I, III BGB ein
Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Gutachterkosten zu. Der Beklagte hat
seine Pflicht zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt. Die Gutachterkosten sind
die adäquat-kausale Folge dieser Pflichtverletzung. Die Beauftragung des
Gutachters war aus Sicht der Klägerin auch erforderlich.
Der Kläger war zur Nacherfüllung gem. §§ 434 I 2
Nr. 2, 437 Nr. 1, 439 BGB verpflichtet. Die Gewährleistung ist nicht
ausgeschlossen.
Bei dem hier gegebenen Verbrauchsgüterkauf sind
gewährleistungsbeschränkende Vereinbarungen vor Mitteilung eines Mangels
unzulässig (§ 476 I BGB a.F.). Als Gewährleistungsausschluss unwirksam ist
damit der Passus im Kaufvertrag, wonach die Klägerin das Fahrzeug besichtigt
und Probe gefahren und den vorgefundenen Zustand akzeptiert habe, denn
derartige Klauseln sind keine Beschaffenheits- oder Zustandsbeschreibungen,
sondern beschränken die Gewährleistung (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl.
2020, Rn. 2482 f.).
Gleiches gilt im Ergebnis für die Bezeichnung des
Fahrzeugs als „Bastelfahrzeug“.
Zwar verbleibt auch im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs
die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs
gem. § 434 I 1, 2 Nr. 1 BGB a.F. erhalten. Es ist somit
ohne weiteres möglich, einen Gegenstand „zum Basteln“ zu verkaufen und auf
diese Weise eine Haftung für die Funktionsfähigkeit auszuschließen.
Entscheidend ist aber nicht der Wortlaut der jeweiligen Vereinbarung, sondern
der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien. Die bloße Bezeichnung
eines als funktionsfähig und zum Betrieb durch den Käufer verkauften
Gebrauchtwagens als „Bastlerfahrzeug“ führt deshalb nicht zu einem Ausschluss
der Mängelhaftung des Verkäufers, wenn der Käufer aufgrund der sonstigen
Angaben des Verkäufers und des übereinstimmend zugrunde gelegten Vertragszwecks
von einem funktionsfähigen Fahrzeug ausgehen darf (Lorenz in MüKoBGB, 8. Aufl.
2019, § 476, Rn. 9; Reinking/Eggert, aaO., Rn. 2491 ff.).
Beide Parteien sind übereinstimmend davon ausgegangen,
dass das Fahrzeug funktionsfähig ist. Angesichts dessen hilft es dem Beklagten
nichts, dass das Fahrzeug in dem Kaufvertrag als „Bastelfahrzeug“ bezeichnet
wird.
Fazit
Wie man sehen kann, hat das Gericht durchaus die Möglichkeit
der Vereinbarung einer negativen Beschaffenheit der Kaufsache in Betracht
gezogen, sodass schon gar kein Sachmangel gegeben wäre und folglich auch keine
Pflicht zur Nacherfüllung bestanden hätte. Es hat eine solche Abrede aber nach
Auslegung abgelehnt. Dabei dürfte wohl auch eine Rolle spielen, dass der
Beklagte ein gewerblicher Fahrzeughändler war, weshalb es eher fernliegt, dass
ein Auto zum „Ausschlachten“ verkauft wurde.
Der Fall richtete sich noch nach dem alten Kaufrecht,
also vor der Änderung zum 1.1.2022. Heute wäre gem. § 476 I 2 BGB eine solche
negative Beschaffenheitsvereinbarung in diesem konkreten Fall unwirksam
gewesen, denn nunmehr muss diese ausdrücklich und gesondert vereinbart werden, da
es sich um einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 BGB handelte, was hier jedoch
nicht geschehen war.
Einzig unklar bleibt für mich, warum das Gericht den
Absatz 3 bei der Anspruchsgrundlage des § 280 I BGB mitzitiert hat. Die Kosten für
den Ersatz des eingeholten Gutachtens stellen einen Mangelfolgeschaden und damit einen Schadensersatz neben der
Leistung gem. nach §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB dar.
Weiterführende Literatur
In meinem eBook* „Juristische Übungsfälle
zum Kaufrecht“ habe ich eine ausführliche Fallsammlung zu extrem examensrelevanten kaufrechtlichen
Problemen erstellt. Wer Interesse hat, kann das Buch hier finden:
Juristische Übungsfälle zum Kaufrecht
Hier sind weitere Artikel zum Kaufrecht zu finden
Die
Nacherfüllung beim Kaufvertrag
Die
Feinheiten des § 442 I 1 BGB
Der
Verschleiß als Mangel der Kaufsache
Frist
zur Nacherfüllung und zweite Gelegenheit zur Nachbesserung
Die
Eintrittskarte im Vorverkauf
Umtausch,
Gewährleistungsrecht, Garantie – Was ist der Unterschied?
Der
falsch gelieferte Artikel (aliud) beim Kaufvertrag im Internet – Wer hat welche
Rechte?
* Als Amazon-Partner verdiene ich an
qualifizierten Verkäufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen