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Montag, 8. Januar 2024

Die negative Beschaffenheitsvereinbarung bei Verkauf eines „Bastelfahrzeugs“

 

negative Beschaffenheitsvereinbarung bei Verkauf eines „Bastelfahrzeugs“

Stellt die Bezeichnung eines gebrauchten Kfz als „Bastelfahrzeug“ eine negative Beschaffenheitsvereinbarung dar oder wird damit wenigstens die Gewährleistung ausgeschlossen? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Stuttgart in einer neuen Entscheidung beschäftigen.

Sehen wir und die Entscheidung einmal näher an.


Sachverhalt


Nach vorangegangener Probefahrt am 07.02.2018 kaufte die Klägerin vom Beklagten, einem gewerblichen Fahrzeughändler, am 17.02.2018 für 4.900 € ein gebrauchtes Kfz. Der Kaufvertrag enthält folgenden Passus:

 „Das Fahrzeug wird als Bastelfahrzeug gebraucht und [in] altersgemäßem Zustand verkauft. Der Käufer hat das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren. Er hat den vorgefundenen Zustand akzeptiert.“

Aufgrund von Mängelrügen der Klägerin befand sich das Fahrzeug in der Werkstatt der Beklagten, in welcher Reparaturen vorgenommen wurden.

Mit Anwaltsschreiben trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei bei Übergabe mangelhaft gewesen. Bei kalten Temperaturen stottere der Motor und nehme das Gas nicht an. Erst nach einigen Kilometern laufe er normal. Nach der zweiten und dritten Reparatur habe sich der Zustand verschlimmert. Nun ruckele das Fahrzeug auch im warmen Zustand, vor allem beim Beschleunigen. Sie holte ein Sachverständigengutachten ein, dessen Kosten sie vom Beklagten ersetzt verlangt.


Entscheidungsgründe


Sachverständigengutachten


Der Klägerin steht gem. § 280 I, III BGB ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Gutachterkosten zu. Der Beklagte hat seine Pflicht zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt. Die Gutachterkosten sind die adäquat-kausale Folge dieser Pflichtverletzung. Die Beauftragung des Gutachters war aus Sicht der Klägerin auch erforderlich.

Der Kläger war zur Nacherfüllung gem. §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 1, 439 BGB verpflichtet. Die Gewährleistung ist nicht ausgeschlossen.

Bei dem hier gegebenen Verbrauchsgüterkauf sind gewährleistungsbeschränkende Vereinbarungen vor Mitteilung eines Mangels unzulässig (§ 476 I BGB a.F.). Als Gewährleistungsausschluss unwirksam ist damit der Passus im Kaufvertrag, wonach die Klägerin das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren und den vorgefundenen Zustand akzeptiert habe, denn derartige Klauseln sind keine Beschaffenheits- oder Zustandsbeschreibungen, sondern beschränken die Gewährleistung (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. 2020, Rn. 2482 f.).

Gleiches gilt im Ergebnis für die Bezeichnung des Fahrzeugs als „Bastelfahrzeug“.

Zwar verbleibt auch im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs gem. § 434 I 1, 2 Nr. 1 BGB a.F. erhalten. Es ist somit ohne weiteres möglich, einen Gegenstand „zum Basteln“ zu verkaufen und auf diese Weise eine Haftung für die Funktionsfähigkeit auszuschließen. Entscheidend ist aber nicht der Wortlaut der jeweiligen Vereinbarung, sondern der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien. Die bloße Bezeichnung eines als funktionsfähig und zum Betrieb durch den Käufer verkauften Gebrauchtwagens als „Bastlerfahrzeug“ führt deshalb nicht zu einem Ausschluss der Mängelhaftung des Verkäufers, wenn der Käufer aufgrund der sonstigen Angaben des Verkäufers und des übereinstimmend zugrunde gelegten Vertragszwecks von einem funktionsfähigen Fahrzeug ausgehen darf (Lorenz in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 476, Rn. 9; Reinking/Eggert, aaO., Rn. 2491 ff.).

Beide Parteien sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass das Fahrzeug funktionsfähig ist. Angesichts dessen hilft es dem Beklagten nichts, dass das Fahrzeug in dem Kaufvertrag als „Bastelfahrzeug“ bezeichnet wird.


Fazit


Wie man sehen kann, hat das Gericht durchaus die Möglichkeit der Vereinbarung einer negativen Beschaffenheit der Kaufsache in Betracht gezogen, sodass schon gar kein Sachmangel gegeben wäre und folglich auch keine Pflicht zur Nacherfüllung bestanden hätte. Es hat eine solche Abrede aber nach Auslegung abgelehnt. Dabei dürfte wohl auch eine Rolle spielen, dass der Beklagte ein gewerblicher Fahrzeughändler war, weshalb es eher fernliegt, dass ein Auto zum „Ausschlachten“ verkauft wurde.

Der Fall richtete sich noch nach dem alten Kaufrecht, also vor der Änderung zum 1.1.2022. Heute wäre gem. § 476 I 2 BGB eine solche negative Beschaffenheitsvereinbarung in diesem konkreten Fall unwirksam gewesen, denn nunmehr muss diese ausdrücklich und gesondert vereinbart werden, da es sich um einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 BGB handelte, was hier jedoch nicht geschehen war.

Einzig unklar bleibt für mich, warum das Gericht den Absatz 3 bei der Anspruchsgrundlage des § 280 I BGB mitzitiert hat. Die Kosten für den Ersatz des eingeholten Gutachtens stellen einen Mangelfolgeschaden und damit einen Schadensersatz neben der Leistung gem. nach §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB dar.


Weiterführende Literatur


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