Eine neue Entscheidung des Kammergerichts Berlin (KG Berlin, Beschluss vom 29. Oktober 2024 – 21 U 52/24) zeigt sehr schön auf, welche Vorschriften man auf einen typengemischten Vertrag anwenden muss. Das soll im Folgenden kurz aufgezeigt werden.
Leitsätze
„1.
§ 650 f BGB findet auf einen typengemischten Vertrag Anwendung, wenn er
jedenfalls seinem Schwerpunkt nach ein Bauvertrag ist. Für diese Einordnung
kommt es nicht auf die quantitative Bewertung der einzelnen Leistungen, sondern
eine qualitative Gesamtbeurteilung an.
2.
Richtet sich in einem Vertrag mit Elementen von Kauf- und Werkvertrag die
Vergütung des Leistungserbringers – insbesondere ihre Fälligkeit – nach dem
Werkvertragsrecht, so spricht dies dafür, auch den Sicherungsanspruch des
Bauunternehmers aus § 650f BGB auf den Vertrag anzuwenden…“
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Die
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Das
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Sachverhalt
„Die
Klägerin verlangt die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB.
Die Parteien schlossen am 28.04.2021 einen als „Werkvertrag über Bauleistungen
als Pauschalvertrag“ bezeichneten Vertrag über die Elektroinstallation in einem
Hochhaus-Neubau mit einem Pauschalfestpreis von 1.950.000,00 EUR netto. Nach
dem zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis gehörten zum Leistungssoll auch
Elektrobauteile. Hierzu zählten unter anderem Beleuchtungsanlagen mit einem
Nettopreis von 700.257,35 EUR, wovon auf 255 Stehlampen ein Betrag von
506.530,- EUR netto entfiel, sowie Niederspannungsinstallations-Geräte mit
einem Preis von 404.567,43 EUR netto…“
Entscheidungsgründe
„Das Landgericht hat den
streitgegenständlichen Vertrag zutreffend als Bauvertrag gemäß § 650a
Abs. 1 BGB eingeordnet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die
Abgrenzung zwischen Kauf-, Werklieferungs-, Kaufvertrag mit
Montageverpflichtung und Werkvertrag nach dem Schwerpunkt der geschuldeten
Leistung vorzunehmen.
Für die Abgrenzung von Kauf- und
Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits ist
maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der
Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem
Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf-
oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen
nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung
eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen (BGH, Urteil v.
30.08.2018 – VII ZR 243/17 – Rn. 25). Je mehr die mit dem Warenumsatz
verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf
den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle
Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des
Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit
Montageverpflichtung geboten (BGH, Urteil v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18 – Rn.
19). Dass der Warenwert einem Vielfachen der Montagekosten entspricht, steht
der Annahme eines Werkvertrags bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aber nicht
entgegen (BGH, Urteil v. 30.08.2018, a.a.O., Rn. 30: Werkvertrag, auch wenn
Warenwert dem Vierfachen der Montagekosten entspricht).
Nach diesen Maßgaben ist hier im Rahmen einer
Gesamtwürdigung von einem Werkvertrag auszugehen wie das Landgericht zutreffend
ausgeführt hat. Nach dem Vertragsinhalt lag der Schwerpunkt des Vertrags nicht
in einem Warenumsatz, sondern in der funktionstauglichen Errichtung der
Elektroinstallation unter Lieferung der Einzelteile inklusive der
Beleuchtungsmittel. Der Einbau der Elektroinstallation stellt sich auch nicht
als bloße Ergänzung zu der geschuldeten Lieferung der Endgeräte dar. Denn die Beklagte
hatte die den Vertrag prägende Aufgabe, die Elektroinstallation funktionsfähig
und vollständig in dem Neubau vom Erdgeschoss bis zum 4. OG zu errichten. Laut
Leistungsverzeichnis (nachstehend: LV; Anlage K2, Seite 12) betrifft die
Elektroinstallation den Mietbereich x und enthält alle Leistungen, um die
weiteren Mietbereiche y und z zu einem späteren Zeitpunkt mit einzubinden, so
dass die gesamte Einheit als Ganzes funktionsfähig ist. Das LV geht weit über
die bloße Lieferung und Eigentumsverschaffung von Einzelteilen hinaus.
Eine Aufsplittung des Vertrags mit der Folge
einer partiellen Anwendung der Regelungen zum Kaufvertrag, ggf. mit
Montageverpflichtung einerseits und Werkvertragsrecht andererseits, ist auch
bei einer wertmäßigen Betrachtung der jeweiligen Positionen des
Leistungsverzeichnisses (im Folgenden: LV) nicht veranlasst. Gegenüber der
erfolgsorientierten Verpflichtung treten die kaufvertraglichen Elemente des
Vertrags zurück, auch wenn die hierauf bezogenen Angebotspreise mit einem nicht
unbeträchtlichen Anteil in den Pauschalpreis von 1.950.000,- EUR eingeflossen
sein mögen. So entfiel auf die Lieferung von Stehlampen ein Angebotspreis von
506.530,- EUR, auf Beleuchtungsanlagen (Tisch-, Decken, Feuchtraumleuchten) ein
Angebotspreis von 770.257,35 EUR und auf die die zu liefernden und zu
montierenden Niederspannungsgeräte (Bodentanks, Steckdosen, Bewegungsmelder)
ein Angebotspreis von 404.567,43 EUR. Bei dem wertmäßigen Vergleich der
jeweiligen Positionen des LVs ist jedoch zu beachten, dass die
Eventualpositionen für besondere Arbeitsleistungen im unverpreisten LV (Anlage
K 2, Seite 84) mit „NEP“ – nur Einheitspreis – und im verpreisten LV
(Anlage K2a, Seite 5) nicht wertmäßig in das Pauschalangebot eingeflossen
sind. Der Anteil für Personalkosten im Zuge der Herstellung des Werks ist
deshalb bereits in den Einheitspreisen inkludiert. Dies betrifft auch die in
die Gesamtleistung zu integrierenden Einzelteile, so dass allein aus dem Wert
von Positionen des verpreisten LVs nicht auf den Charakter des Vertrags
geschlossen werden kann…“
Fazit
Typengemischte Verträge schrecken viele Studierende
leicht ab, da sich vermeintlich keine klare Linie der rechtlichen Beurteilung
finden lässt. Wenn man einmal die in diesem Fall einschlägige Bauhandwerkersicherheit
vernachlässigt, weil sie für das erste juristische Staatsexamen vielleicht von
untergeordneter Bedeutung ist, kann man doch etwas zur Behandlung von
gemischten Verträgen lernen. Diese Materie ist durchaus schon in den ersten
Semestern des Jurastudiums von Bedeutung.
Maßgeblich ist (jedenfalls nach der Rechtsprechung) also,
auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt
liegt. Wer sich dies merkt, wird in einer Klausur zu vertretbaren Ergebnissen
kommen. Wie so oft, muss man allerdings den Sachverhalt auswerten und Argumente
im Rahmen der Gesamtbetrachtung finden.
Ähnlich (aber nicht identisch) ist die Situation bei ganz
alltäglichen Dingen, wie etwa dem Essen in einem Restaurant. Auch dort setzt
sich der Vertrag aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Regelmäßig geht es
dabei um eine mangelhafte Speise, auf die dann auch Kaufrecht anzuwenden ist.
Man muss dort allerdings unterscheiden, welche konkrete Vertragsleistung
betroffen ist. Es wäre daher unsinnig, auf die Speise Mietrecht anzuwenden, nur
weil ein Vertragsteil (Besteck, Tisch, Stuhl) mietrechtliche Elemente enthält.
In diesem Sinne will ich mit den wichtigsten Worten der
Juristen/innen schließen: „Es kommt darauf an…“
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