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Freitag, 24. Januar 2025

Der typengemischte Vertrag und seine rechtliche Einordung

 

Der typengemischte Vertrag und seine rechtliche Einordung

Eine neue Entscheidung des Kammergerichts Berlin (KG Berlin, Beschluss vom 29. Oktober 2024 – 21 U 52/24) zeigt sehr schön auf, welche Vorschriften man auf einen typengemischten Vertrag anwenden muss. Das soll im Folgenden kurz aufgezeigt werden.


Leitsätze


„1. § 650 f BGB findet auf einen typengemischten Vertrag Anwendung, wenn er jedenfalls seinem Schwerpunkt nach ein Bauvertrag ist. Für diese Einordnung kommt es nicht auf die quantitative Bewertung der einzelnen Leistungen, sondern eine qualitative Gesamtbeurteilung an.

2. Richtet sich in einem Vertrag mit Elementen von Kauf- und Werkvertrag die Vergütung des Leistungserbringers – insbesondere ihre Fälligkeit – nach dem Werkvertragsrecht, so spricht dies dafür, auch den Sicherungsanspruch des Bauunternehmers aus § 650f BGB auf den Vertrag anzuwenden…“


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Sachverhalt


„Die Klägerin verlangt die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB. Die Parteien schlossen am 28.04.2021 einen als „Werkvertrag über Bauleistungen als Pauschalvertrag“ bezeichneten Vertrag über die Elektroinstallation in einem Hochhaus-Neubau mit einem Pauschalfestpreis von 1.950.000,00 EUR netto. Nach dem zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis gehörten zum Leistungssoll auch Elektrobauteile. Hierzu zählten unter anderem Beleuchtungsanlagen mit einem Nettopreis von 700.257,35 EUR, wovon auf 255 Stehlampen ein Betrag von 506.530,- EUR netto entfiel, sowie Niederspannungsinstallations-Geräte mit einem Preis von 404.567,43 EUR netto…“


Entscheidungsgründe


„Das Landgericht hat den streitgegenständlichen Vertrag zutreffend als Bauvertrag gemäß § 650a Abs. 1 BGB eingeordnet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abgrenzung zwischen Kauf-, Werklieferungs-, Kaufvertrag mit Montageverpflichtung und Werkvertrag nach dem Schwerpunkt der geschuldeten Leistung vorzunehmen.

Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits ist maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen (BGH, Urteil v. 30.08.2018 – VII ZR 243/17 – Rn. 25). Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten (BGH, Urteil v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18 – Rn. 19). Dass der Warenwert einem Vielfachen der Montagekosten entspricht, steht der Annahme eines Werkvertrags bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aber nicht entgegen (BGH, Urteil v. 30.08.2018, a.a.O., Rn. 30: Werkvertrag, auch wenn Warenwert dem Vierfachen der Montagekosten entspricht).

Nach diesen Maßgaben ist hier im Rahmen einer Gesamtwürdigung von einem Werkvertrag auszugehen wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Nach dem Vertragsinhalt lag der Schwerpunkt des Vertrags nicht in einem Warenumsatz, sondern in der funktionstauglichen Errichtung der Elektroinstallation unter Lieferung der Einzelteile inklusive der Beleuchtungsmittel. Der Einbau der Elektroinstallation stellt sich auch nicht als bloße Ergänzung zu der geschuldeten Lieferung der Endgeräte dar. Denn die Beklagte hatte die den Vertrag prägende Aufgabe, die Elektroinstallation funktionsfähig und vollständig in dem Neubau vom Erdgeschoss bis zum 4. OG zu errichten. Laut Leistungsverzeichnis (nachstehend: LV; Anlage K2, Seite 12) betrifft die Elektroinstallation den Mietbereich x und enthält alle Leistungen, um die weiteren Mietbereiche y und z zu einem späteren Zeitpunkt mit einzubinden, so dass die gesamte Einheit als Ganzes funktionsfähig ist. Das LV geht weit über die bloße Lieferung und Eigentumsverschaffung von Einzelteilen hinaus.

Eine Aufsplittung des Vertrags mit der Folge einer partiellen Anwendung der Regelungen zum Kaufvertrag, ggf. mit Montageverpflichtung einerseits und Werkvertragsrecht andererseits, ist auch bei einer wertmäßigen Betrachtung der jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses (im Folgenden: LV) nicht veranlasst. Gegenüber der erfolgsorientierten Verpflichtung treten die kaufvertraglichen Elemente des Vertrags zurück, auch wenn die hierauf bezogenen Angebotspreise mit einem nicht unbeträchtlichen Anteil in den Pauschalpreis von 1.950.000,- EUR eingeflossen sein mögen. So entfiel auf die Lieferung von Stehlampen ein Angebotspreis von 506.530,- EUR, auf Beleuchtungsanlagen (Tisch-, Decken, Feuchtraumleuchten) ein Angebotspreis von 770.257,35 EUR und auf die die zu liefernden und zu montierenden Niederspannungsgeräte (Bodentanks, Steckdosen, Bewegungsmelder) ein Angebotspreis von 404.567,43 EUR. Bei dem wertmäßigen Vergleich der jeweiligen Positionen des LVs ist jedoch zu beachten, dass die Eventualpositionen für besondere Arbeitsleistungen im unverpreisten LV (Anlage K 2, Seite 84) mit „NEP“ – nur Einheitspreis – und im verpreisten LV (Anlage K2a, Seite 5) nicht wertmäßig in das Pauschalangebot eingeflossen sind. Der Anteil für Personalkosten im Zuge der Herstellung des Werks ist deshalb bereits in den Einheitspreisen inkludiert. Dies betrifft auch die in die Gesamtleistung zu integrierenden Einzelteile, so dass allein aus dem Wert von Positionen des verpreisten LVs nicht auf den Charakter des Vertrags geschlossen werden kann…“


Fazit


Typengemischte Verträge schrecken viele Studierende leicht ab, da sich vermeintlich keine klare Linie der rechtlichen Beurteilung finden lässt. Wenn man einmal die in diesem Fall einschlägige Bauhandwerkersicherheit vernachlässigt, weil sie für das erste juristische Staatsexamen vielleicht von untergeordneter Bedeutung ist, kann man doch etwas zur Behandlung von gemischten Verträgen lernen. Diese Materie ist durchaus schon in den ersten Semestern des Jurastudiums von Bedeutung.

Maßgeblich ist (jedenfalls nach der Rechtsprechung) also, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Wer sich dies merkt, wird in einer Klausur zu vertretbaren Ergebnissen kommen. Wie so oft, muss man allerdings den Sachverhalt auswerten und Argumente im Rahmen der Gesamtbetrachtung finden.

Ähnlich (aber nicht identisch) ist die Situation bei ganz alltäglichen Dingen, wie etwa dem Essen in einem Restaurant. Auch dort setzt sich der Vertrag aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Regelmäßig geht es dabei um eine mangelhafte Speise, auf die dann auch Kaufrecht anzuwenden ist. Man muss dort allerdings unterscheiden, welche konkrete Vertragsleistung betroffen ist. Es wäre daher unsinnig, auf die Speise Mietrecht anzuwenden, nur weil ein Vertragsteil (Besteck, Tisch, Stuhl) mietrechtliche Elemente enthält.

In diesem Sinne will ich mit den wichtigsten Worten der Juristen/innen schließen: „Es kommt darauf an…“



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