Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs zu der Frage, wann ein Betreiber einer Waschanlage für Schäden an einem Kfz bei Waschvorgang haftet, bietet Gelegenheit, sich mit diesem wichtigen Bereich des vertraglichen Schadensersatzes auseinanderzusetzen.
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Artikel zum Werkvertrag zu finden
Was
ist ein Werklieferungsvertrag?
Schadensersatz
nach Kündigung eines Werkvertrags
Die
Selbstbeseitigung beim Werkvertrag
Zunächst der zu entscheidende Sachverhalt
"Der
Kläger verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer
von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten
Portalwaschanlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das
auszugsweise wie folgt lautet: "Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen
Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der
nachfolgenden Bedingungen: (…). Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt
insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte
Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende
Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch
verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber
oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz." Unter diesem
Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: "Achtung Keine
Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!". Der Kläger fuhr Ende Juli 2021
mit seinem Pkw der Marke Land Rover, Modell Range Rover Sport HSE, in die
Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle
und startete den Waschvorgang. Das Fahrzeug ist serienmäßig mit einem
sogenannten Heckspoiler ausgestattet. Hierbei handelt es sich um ein am
hinteren Ende des Fahrzeugdachs, horizontal über der nach unten abfallenden
Heckscheibe, bündig in der Karosserie sitzendes Bauteil. Während des
Waschvorgangs wurde der Heckspoiler abgerissen, wodurch Schäden am Heck des
Fahrzeugs entstanden. Wegen dieses Vorfalls verlangt der Kläger von der
Beklagten Schadensersatz."
Die Entscheidungsgründe im Wesentlichen
"Rechtsfehlerfrei
hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass es sich bei dem Vertrag
über die Reinigung eines Fahrzeugs um einen Werkvertrag handelt und sich aus
einem solchen Vertrag als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers
ergibt, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu
bewahren (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17 Rn. 12 m.w.N., NJW
2018, 2956)…
Rechtsfehlerhaft
hat das Berufungsgericht jedoch eine schuldhafte Pflichtverletzung der
Beklagten verneint…
Zutreffend
ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach derjenige, der eine
Gefahrenlage - etwa durch den Betrieb einer Waschanlage - schafft,
grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu
treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Betreiber
einer Waschanlage hat dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden
nicht beschädigt werden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst
diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen
Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um
andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder
abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige
Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende
Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher genügt es, diejenigen
Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger,
vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise -
hier der Betreiber von Waschanlagen - für ausreichend halten darf, um andere
Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu bewahren, und die dem
Verkehrssicherungspflichtigen den Umständen nach zuzumuten sind. Die
Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der
Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher
Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen
Sicherungsvorkehrungen einhergeht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR
251/17 Rn. 17 f. m.w.N., NJW 2018, 2956)…
Eine
schuldhafte Pflichtverletzung durch die Beklagte ist entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts - widerleglich - zu vermuten, weil die Schadensursache
allein aus ihrem Obhuts- und Gefahrenbereich herrührt…
In
Abweichung von dieser regelmäßigen Beweislastverteilung ist in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich der Schädiger - über
den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus - nicht nur hinsichtlich seines
Verschuldens zu entlasten hat, sondern er auch darlegen und gegebenenfalls
beweisen muss, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den
Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und
Gefahrenbereich liegen…
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts liegt die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, die auf dem außer Streit stehenden Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen beruhen, kam es zu der Schädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers..."
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Mitverschulden
bei der Haftungsausfüllung, § 254 II 1 BGB
Dieselskandal
und Schadensrecht
Schadensminderungspflicht
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bei Verletzung des Anwartschaftsrechts
Ehrverletzenden
Äußerungen und zivilrechtliche Folgen
Schadensersatz
wegen Verbrühung mit heißem Tee?
Fazit
Der Fall eignet sich durchaus für eine Klausur im
Zivilrecht in der juristischen Ausbildung, in der man zeigen muss, dass man den
Vertrag über das Waschen eines Kfz richtig einordnen kann und darüber hinaus
auch Kenntnisse hinsichtlich der Beweislast im Rahmen des § 280 I BGB hat.
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